Nachdem die Politik der Rentenversicherung durch die Reformen 1957 und 1972 noch deutlich höhere Belastungen aufgebürdet hatte, bereiteten dann nach 1972 die geringeren Wachstumsraten, die anhaltende Arbeitslosigkeit und die wachsende Lebenserwartung bei sinkender Lebensarbeitszeit zunehmende Finanzierungsprobleme.

Diese führten ab 1977 zu einer Reihe von Veränderungen innerhalb des Rentenversicherungssystems, wobei die ergriffenen Maßnahmen zuerst nur auf kurzfristige Wirksamkeit angelegt waren und eine sachangemessene, längerfristige Sanierungsstrategie vermissen ließen:

  • Fällige Rentenanpassungen wurden aufgeschoben (1977 und 1982 um jeweils sechs Monate).
  • Die Höhe der Rentenanpassung wurde für drei Jahre herabgesetzt (1978).
  • Der Beitragssatz wurde laufend in Abhängigkeit von der Haushaltslage variiert (ab 1980).
  • Krankenversicherungsbeiträge für Rentner wurden eingeführt (1983).

Verschiedene Modellrechnungen über den Zeitraum bis 2030 und weiter verstärkten dann den Eindruck, dass das aktuelle (an den Bruttoeinkommen orientierte) Rentenniveau langfristig nur noch bei unvertretbar hohen Sozialversicherungsbeiträgen (2030 ca. 40%) zu sichern wäre, dass die Beibehaltung der aktuellen Beitragshöhen andererseits zu einem dramatischen Rentenabbau (bis 2030 um ca. 50%) führen müsste.

Zur Anpassung des Systems der Alterssicherung an die absehbaren demographischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen bestand offensichtlich ein dringender politischer Handlungsbedarf.
Nun liegt zwischen dem Bedarf an politischem Handeln einerseits und der Bereitschaft zur politischen Durchsetzung gerade bei Reformen mit langen Zeithorizonten häufig eine deutliche Diskrepanz.
Je stärker die aus den Reformen resultierenden Belastungen unmittelbar in der Gegenwart und die entstehenden Wohltaten erst in der Zukunft wirksam werden, desto mehr neigen die an Wahlzyklen orientierten Politiker dazu, dem Reformdruck durch Ignorieren oder durch Taktieren auszuweichen.
Dieses Verhalten erfährt eine zusätzliche Stützung durch die allgemeine Neigung des einzelnen Menschen, Zukunftsprobleme gegenüber Gegenwartsproblemen geringer zu schätzen.

Der Slogan "Die Rente ist sicher" wurde zum Synonym für die Verdrängungsfähigkeit von Politikern bei Problemen mit langen Zeithorizonten.

Vor diesem Hintergrund entstand das Planspiel 2030:

Armin Anwander - Dietmar Ochs
2030 Sicheres Alterseinkommen?
Bachem, Köln 1990

Das Modell bietet eine Vereinfachte Abbildung des Zeitraumes 1990 bis 2030 und verdeutlicht die Auswirkungen eine Reihe staatlicher Maßnahmen auf die aktuelle und zukünftige Einkommenssituation der betroffenen Bürger.
Ein zugeordnetes Wählermodell motiviert die Teilnehmer zusätzlich, weil es Wählerwanderungen als Reaktion auf getroffene Maßnahmen ausdrückt.
Die Lernenden übernehmen - einzeln oder in Gruppen - die Rolle der politischen Entscheidungsträger; die erste Entscheidung kann für das Jahr 1990 getroffen werden, danach wird im Abstand von jeweils 5 Jahren neu entschieden.

Aus heutiger Sicht ist die Software nicht mehr "stand of arts", das Thema aber aktuell wie eh und je, wenn gleich es nun auch unter der Perspektive "Rentnerdemokratie" und Generationengerechtigkeit Diskutiert wird.:
Im April 2008 billigen die Regierungsfraktionen wieder einmal einen Entwurf zu einer Gesetzesänderung: Die Rentenerhöhung soll höher ausfallen, als bisher festgelegt und die Beitragssätze sollen gesenkt werden.

Die FAZ schreibt am 4.4.2008:
"Das Einvernehmen der beiden Koalitionspartner zeigt deren politischen Willen, auf die Belange der älteren Menschen und Wähler mehr Rücksicht zu nehmen. Dass es sich um wahlpolitische Manöver handelt, wir intern nicht bestritten. Es gelte, politische Rücksichten auf eine zunehmend größer werdende Schicht der Wähler zu nehmen."

Meinhard Miegel, Wirtschaftsforscher, dazu:
" Es ist Rosstäuschrei, was da passiert. Man sagt, man kürze die Renten nicht - und tut es durch die Hintertür."

Und Alt-Bundespräsident R. Herzog am 11.4.2008:
"Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern."

Norbert Blüm,
Bundesminister 1982-1998
im Wahlkampf 1986